Zweisprachigkeit, Mehrsprachigkeit, Vielsprachigkeit
Heute und seit etwa zwei Jahrzehnten zeigt Europa sehr deutlich, dass es sich für eine zwei- oder mehrsprachige Ausbildung und den Unterricht nicht-sprachlicher Fächer in einer Fremdsprache (CLIL-Programm) einsetzt.
Was versteht man unter Zweisprachigkeit, Mehrsprachigkeit und Vielsprachigkeit?
Obgleich diese Begriffe in der Alltagssprache meist synonym verwendet werden, haben sie für Sprachwissenschaftler nicht die gleiche Bedeutung.
Kurz gesagt versteht man unter Zweisprachigkeit die Beherrschung von zwei Sprachen. Also beispielsweise eine Person, die im Alltag sowohl Französisch als auch Englisch spricht.
Mehrsprachigkeit bedeutet, dass mehrere Sprachen innerhalb einer Gesellschaft nebeneinander existieren. Menschen sprechen eine Sprache und leben mit anderen Menschen zusammen, deren Sprache sie nicht beherrschen. Zum Beispiel Armenier und Schweden, die in Frankreich leben.
Der Begriff Vielsprachigkeit bezieht sich auf Personen, die für verschiedene Aktivitäten in verschiedenen Sprachen kommunizieren: zum Beispiel ein Grieche, der im Berufsleben Französisch spricht, mit seiner Familie auf Griechisch kommuniziert und im gesellschaftlichen Leben Spanisch spricht, weil er in Spanien lebt.
Hier und anderswo…
Hier
Frankreich ist ein einsprachiges Land, dessen Amtssprache seit 1992 Französisch ist (Artikel 2 der Verfassung der Fünften Französischen Republik). Die französische Sprache gilt zugleich als das wichtigste Instrument des französischen Denkens und der französischen Kultur weltweit. Französisch wurde von Schriftstellern wie Rabelais und Molière, die den Bekanntheitsgrad des Französischen erhöhten, als lebendige Sprache gewählt. Die Besonderheit der französischen Sprache besteht darin, dass ihre Entwicklung von Gruppen von Intellektuellen und Institutionen wie der Académie française vorangetrieben wurde. Es handelt sich also um eine sogenannte „akademische“ Sprache. Eine Akademie ist eine Versammlung von Sprachwissenschaftlern, Wissenschaftlern oder Künstlern: der Ort, an dem diese zusammenkommen.
Woanders
Spanien ist im Gegensatz zu Frankreich oder Norwegen kein Einheitsstaat. Der spanische Staat überträgt seine Befugnisse an 17 lokale Regierungen, die als Autonome Gemeinschaften bezeichnet werden, diese befinden sich in 17 Regionen (Baskenland, Katalonien, Galicien, Andalusien, Asturien, Kantabrien…). Es handelt sich jedoch nicht um einen Bundesstaat. Die spanische Verfassung erkennt einen einsprachigen spanischen Staat an, der sich aus offiziell einsprachigen Gebieten für Kastilischsprachige und offiziell zweisprachigen Gebieten für Katalanen, Basken, Galizier und Aranier usw. zusammensetzt. Drei Sprachen haben den Status einer Ko-Amtssprache: Katalanisch, Galizisch und Baskisch, während andere Sprachen nur bedingt geschützt sind. Kastilisch bleibt auf administrativer, politischer und rechtlicher Ebene die einzige Amtssprache.
In den Vereinigten Staaten von Amerika haben nur 31 von 50 Staaten Englisch als Amtssprache übernommen. Spanisch, Chinesisch und Französisch sind die anderen am weitesten verbreiteten Sprachen, nicht zu vergessen Hawaiianisch, die zweite Amtssprache auf Hawaii. Auf Bundesebene wurde keine offizielle Sprache gewählt, und die Regierungssprache ist de facto Englisch. In den Vereinigten Staaten von Amerika werden auch viele andere Sprachen gesprochen, z.B. Deutsch, Japanisch, Arabisch, Russisch, aber auch eine Vielzahl von indianischen Sprachen.
Kanada ist zweisprachig mit zwei Amtssprachen, Englisch und Französisch. Es werden dort mehr als 200 Sprachen gesprochen oder als Muttersprache verwendet. Die Geschichte der Zweisprachigkeit in Kanada ist reich und es lohnt sich, sich näher damit zu beschäftigen. Sie beginnt mit der Ankunft des Entdeckers Jacques Cartier im Jahr 1534 und dauert bis heute an. Dabei kann jede Provinz wählen, ob sie einsprachig (Englisch oder Französisch) oder zweisprachig (Englisch und Französisch) sein möchte. Im übrigen gibt es mehr einsprachige als zweisprachige Provinzen.
In China werden chinesische Sprachen gesprochen, die zur Gruppe der chinesisch-tibetischen Sprachen gehören. Es gibt mindestens neun chinesische Sprachen (Mandarin, Wu, Kantonesisch, Min, Xiang, Hakka, Gan, Hui, Ping). Meist werden sie mit chinesischen Han-Schriftzeichen geschrieben (Hanzi oder Sinogramme genannt). Diese Zeichen haben sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt. In der Volksrepublik China, Singapur und Japan wird eine vereinfachte Version (Shinjitai Kanji) verwendet. Chinesisch ist die Amtssprache in China, Taiwan und Singapur und wird in anderen Ländern gesprochen. Die chinesische Sprache besteht aus sieben modernen Hauptsprachen: Mandarin, Standard-Mandarin, Wu, Kantonesisch, Gan, Hakka, Min und Xiang. Drei weitere Sprachen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle: Jin, Hui und Ping. Die Schriftsprache (Wen) steht über den verschiedenen gesprochenen Sprachen.
Die Reihe dieser Beispiele liesse sich bis ins Unendliche fortführen (semitische, slawische, germanische Sprachen…).
Die verschiedenen Gesichtspunkte der Zweisprachigkeit…
Die individuelle Zweisprachigkeit
Diese wird bereits im Kleinkindalter dadurch praktiziert, dass die Eltern zwei verschiedene Sprachen sprechen, oder die erworbene Zweisprachigkeit durch das Erlernen einer oder mehrerer Fremdsprachen in der Grundschule, weiterführenden Schule oder Universität. Diese ermöglichen eine Unterscheidung
der psycholinguistischen Aspekte der Zweisprachigkeit
Alter:
Je nachdem, ob eine Sprache früh im Kindesalter oder später im Erwachsenenalter und auf jeden Fall nach dem Reifeprozess (Festlegung der Sprachzonen im Gehirn) erlernt wird, ist das Ergebnis unterschiedlich und besser, wenn die Sprache(n) bereits während der Kindheit erlernt wurden.
Kontext:
Je nach sozialem Umfeld (gehobene Sprache, Straßensprache), Zeitaufwand für das Erlernen einer Sprache, den verwendeten Methoden, der Erfahrung, Eignung und Einstellung des Lehrers, aber auch der persönlichen Motivation des Lernenden, entscheiden alle diese Elemente, die miteinander interagieren und sich mehr oder weniger gegenseitig ergänzen, über den Erfolg beim Erlernen einer oder mehrerer Sprachen.
Die linguistische Zweisprachigkeit
Hier sind die wichtigsten Aspekte, die in Erscheinung treten, wenn zwei Sprachen miteinander in Berührung kommen:
Interferenzen:
Dies sind die Interferenzen, die von der Muttersprache in die Fremdsprache und umgekehrt auf phonetischer Ebene (französischer Akzent beim Sprechen der englischen Sprache), syntaktischer Ebene (falsche Platzierung eines Wortes in einem Satz), lexikalischer Ebene (Verwendung eines Wortes aus einer Sprache in einer anderen Sprache) und auf Ebene der Lehnwörter auftreten können. So sind z. B. Begriffe wie Weekend oder Maestro heute Teil unseres Wortschatzes, weil praktisch jeder sie seit mehreren Jahren verwendet.
Diese linguistische Zweisprachigkeit kann für den Dolmetscher oder Übersetzer ein Hindernis darstellen.
Solche Interferenzen können die Ursache für Übersetzungsprobleme sein. So kann die Übersetzung von „Reporting“ beispielsweise in einem Satz zu lang sein.
Der Ausgangstext könnte von einer zweisprachigen Person verfasst worden sein, die nicht in ihrer eigenen Sprache schreibt und somit nur über eine begrenzte schriftliche Sprachkompetenz in der erworbenen Sprache verfügt.
Oder der Text wurde von einem Muttersprachler verfasst, der die Feinheiten seiner Sprache nicht beherrscht oder seine Gedanken schriftlich nicht klar formulieren kann.
All dies kann dazu führen, dass bei der Anfertigung der Übersetzung Zweifel aufkommen.
In der gesprochenen Sprache ist der Akzent des Gesprächspartners für den Dolmetscher unter Umständen schwer zu verstehen, usw.
Dennoch…
Wird vom Übersetzer erwartet, dass er die bestmögliche Übersetzung liefert.
Die Qualität des Ausgangstextes…
Es kann sich um einen Text handeln, der vor Fehlern strotzt oder zahlreiche verworrene, schwer verständliche oder sogar widersprüchliche Formulierungen enthält.
Ein Text, der von Mitarbeitern aller Nationalitäten eines multinationalen Unternehmens verfasst wurde, die auf Englisch mit verschiedenen Tochtergesellschaften auf der ganzen Welt kommunizieren, und der nun in die Landessprache des Landes übersetzt werden soll, in dem eine der Tochtergesellschaften ihren Sitz hat.
…Solche Situationen sind durch den Übersetzer zu berücksichtigen und bestmöglich zu bewältigen.
Zum Glück…
Meistens sind die zu übersetzenden Texte sehr interessant, im Allgemeinen gut geschrieben und dank moderner Computertechnologie auch problemlos lesbar.
Der Übersetzer muss geduldig sein, seine Entscheidungen erklären und möglichst genau verstehen, was der Kunde will. Das ist meist weniger offensichtlich, wenn es sich bei diesem Kunden nicht um einen Direktkunden handelt…. Übersetzen allein ist nicht genug, wir müssen aufmerksam und erreichbar sein und alles in unserer Macht stehende tun, um unsere Kunden zufrieden zu stellen.
Auf den ersten Blick ein scheinbar einfacher Beruf, der in den meisten Köpfen der Gleichung entspricht: zweisprachig = Übersetzer.
Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen einem zweisprachigen Menschen und einem Übersetzer?
Literaturangaben:
CLIL: http://www.emilangues.education.fr/international/emile-clil-europe
Französisch ist Amtssprache der Französischen Republik: http://www.senat.fr/evenement/revision/92-554.html
Artikel 3 der spanischen Verfassung:
http://mjp.univ-perp.fr/constit/es1978.htm#I
Die Vereinigten Staaten von Amerika:
http://www.axl.cefan.ulaval.ca/amnord/usa_6-3histoire.htm
Kanada: http://lois.justice.gc.ca/fra/lois/O-3.01/page-8.html#h-13
China: http://www.chine-culture.com/chinois/langues-de-chine.php
http://fr.wikipedia.org/wiki/Langues_chinoises
Carole Chardeau
Übersetzerin.
Vor der Freiberuflichkeit gab es die Berufstätigkeit, eine Phase des Nachdenkens, mein Studium, die dokumentarische Recherche. Mit dem Gang in die Selbstständigkeit folgten Treffen mit Übersetzungsbüros, Privatkunden und Kollegen, nicht zu vergessen die kontinuierliche Weiterbildung und der Wunsch, die Kenntnisse zu vertiefen und den Beruf als solches voranzubringen.